Gesundheit

Sinkende Lebenserwartung in Europa – Zeit zum Umdenken?

Seit Jahrzehnten stieg die Lebenserwartung in Europa kontinuierlich an – doch seit 2011 haben sich die Karten verändert. Studien deuten darauf hin, dass sich dieser Aufwärtstrend immer weiter abschwächt. Insbesondere eine aktuelle Untersuchung der University of East Anglia, veröffentlicht in The Lancet Public Health, bestätigt: Viele Europäerinnen und Europäer könnten tatsächlich wieder früher sterben als ihre Eltern oder Großeltern.

Warum stagniert die Lebenserwartung?

Wie die Forschenden der University of East Anglia unter Leitung von Nicholas Steel im Fachmagazin The Lancet Public Health berichten, war die Lebenserwartung in Europa bis 2011 dank medizinischer Fortschritte und guter Präventionsarbeit (z. B. bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs) stetig gewachsen. Laut einer Berichterstattung des RND (RedaktionsNetzwerk Deutschland) kam es jedoch im Zeitraum 2011–2019 zu einer deutlichen Verlangsamung. Faktoren wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte und vor allem Ernährungsrisiken haben die bisherigen Erfolge konterkariert.

„Fortschritte im 20. Jahrhundert führten dazu, dass die Lebenserwartung von Jahr zu Jahr stieg. Doch das ist nicht mehr der Fall.“

(Nicholas Steel, University of East Anglia)

Was hat die Situation zusätzlich verschärft?

Zwischen 2019 und 2021 kam als neuer Faktor die COVID-19-Pandemie hinzu, die in vielen europäischen Ländern einen weiteren deutlichen Rückgang der Lebenserwartung verursachte. Zwar gelang es einigen Staaten wie Norwegen, Island, Belgien, Dänemark und Schweden, ihre Werte zumindest weitgehend zu halten, doch insbesondere Großbritannien, Griechenland, Italien und Teile Deutschlands traf es stärker. Als Gründe nennen die Studienautor:innen u. a. staatliche Kürzungen im Gesundheits- und Sozialbereich oder bereits bestehende gesundheitliche Risikofaktoren in der Bevölkerung.

Ernährungsbedingte Erkrankungen im Fokus

Ein genauerer Blick in die Studie offenbart, wie wichtig der Lebensstil für unsere Gesundheit ist. Fettleibigkeit, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung gehören laut Global Burden of Disease 2021 zu den zentralen Problemfeldern. Wird über Jahre hinweg zu viel Zucker, Salz und verarbeitete Lebensmittel konsumiert, klettern Bluthochdruck und Cholesterinwerte in die Höhe. In Kombination mit geringer Bewegung steigt das Risiko für Übergewicht, Herz-Kreislauf-Probleme und Diabetes.

Auch die indirekten Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen: Eine geschwächte Immunabwehr, hormonelle Ungleichgewichte und dauerhafter Stress erhöhen die Wahrscheinlichkeit für schwerwiegende Krankheitsverläufe.

Gegenmaßnahmen: Wie wir die Lebensjahre zurückholen können

  • Bewusste Ernährung

Wer auf frische Zutaten, Gemüse, Obst und Vollkornprodukte setzt, versorgt seinen Körper mit wertvollen Nährstoffen. So lassen sich Risikofaktoren wie Übergewicht und hohe Cholesterinwerte oft schon vorbeugen.

  • Bewegung in den Alltag integrieren

Regelmäßige Aktivität – sei es Spazierengehen, Radfahren oder gezieltes Krafttraining – stärkt das Herz-Kreislauf-System. Schon 30 Minuten moderate Bewegung pro Tag zeigen laut zahlreichen Studien deutliche Effekte.

  • Weniger Zucker und verarbeitete Fette

Reduzierte Zuckeraufnahme und das Umschiffen von hochverarbeiteten Snacks können Bluthochdruck und Übergewicht langfristig senken. Wer natürliche Alternativen (etwa Obst oder Vollkornprodukte) bevorzugt, gewöhnt sich bald an einen weniger intensiven Süßgeschmack.

  • Regelmäßige Vorsorge

Arztbesuche, Blutdruck-Checks und gegebenenfalls Cholesterinmessungen sollten nicht erst im hohen Alter beginnen. Je früher man auffällige Werte erkennt, desto eher lässt sich gegensteuern.

  • Politische und gesellschaftliche Verantwortung

Die Studienautor:innen betonen, dass auch Regierungen gefordert sind, gesundheitliche Ungleichheiten zu reduzieren. Eine umfassende Gesundheits- und Sozialpolitik, die Prävention fördert und den Zugang zu medizinischer Versorgung sichert, kann langfristig viel bewirken.

Zwar sind die jüngsten Entwicklungen besorgniserregend – doch wie Nicholas Steel anmerkt, ist das menschliche Maximum an Lebenserwartung längst nicht ausgeschöpft. Ältere Generationen profitieren weiter von medizinischen Fortschritten. Entscheidend ist, dass wir alle früher ansetzen und mit einem gesünderen Lebensstil sowie verbesserten Präventionsmaßnahmen einer negativen Entwicklung entgegenwirken.

Fazit

Die aktuelle Stagnation der Lebenserwartung in Europa ist ein deutlicher Weckruf: Wir dürfen uns nicht auf bisherigen Erfolgen wie medizinischen Fortschritten und Präventionsprogrammen ausruhen. Um den Trend umzukehren, braucht es eine gemeinsame Anstrengung – angefangen bei konsequenter Gesundheits- und Ernährungspolitik, die ungesunde Lebensmittel unattraktiv macht, bis hin zu einer Kultur, in der Bewegung und ausgewogene Ernährung ganz selbstverständlich zum Alltag gehören. Mit klaren, wirksamen Maßnahmen auf individueller, gesellschaftlicher und politischer Ebene haben wir die Chance, nicht nur die Lebenserwartung wieder anzuheben, sondern auch die Lebensqualität jedes Einzelnen nachhaltig zu verbessern.

Quellen: