Titelbild zu Anthocyane – was die Forschung bisher weiß
Fachwissen

Anthocyane
Was die Forschung bisher weiß

Seit Jahrhunderten werden Beeren für ihre Heilkräfte angepriesen. Sie sollen uns langsamer altern lassen und sogar vor immunologischen Erkrankungen schützen. Doch wie viel ist an diesen Aussagen dran? Die Wissenschaft nimmt nun diese Überzeugungen unter die Lupe und landet dabei immer wieder bei denselben Früchten.

Deutschland – Mit der steigenden Lebenserwartung wächst auch die Anzahl der chronisch erkrankten Menschen. Die Suche nach einfachen und vorbeugenden Maßnahmen ist groß, wobei es in vielen Fällen bei der Linderung von Symptomen bleibt. Zunehmend wächst jedoch das Interesse an präventiven Maßnahmen, sodass vor allem Volkskrankheiten eingedämmt werden können. Ein exemplarischer Ansatzpunkt sind vor allem blaue, violette und rote Farbpigmente höherer Pflanzen – die Anthocyane. Sie gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen, welche als nicht lebensnotwendige, aber für die Pflanze nützliche Verbindungen definiert werden. Chemisch werden diese Pigmente als Polyphenole klassifiziert und innerhalb dieser Gruppe letztendlich den Flavonoiden zugeordnet. Die Absorption der Anthocyane erfolgt im Dünndarm und kann durch Resveratrol, ebenfalls zugehörig zu den Polyphenolen und Vitamin C erleichtert werden. Doch die Theorie allein reicht nicht: Spannend ist, wo Anthocyane in unserer Ernährung tatsächlich vorkommen, welche Funktionen sie in der Natur erfüllen und ob sie beim Menschen eine messbare Wirkung zeigen.

Blickt man bei uns auf den Teller, hat man bereits die Antwort: Vor allem in Kirschen, Johannisbeeren, Auberginen, Holunderbeeren und Blaubeeren befindet sich die Farbpigmente. Ihre intensive Farbe ist jedoch kein Zufall: In der Natur schützen Anthocyane Pflanzen vor UV- Strahlung und Stress und genau diese Eigenschaften machen diese auch für die Gesundheit des Menschen interessant.

Ein paar Erkenntnisse konnten in den letzten Jahren gesammelt werden und liefern uns erste, teils vielsprechende Ergebnisse. Eine 2023 veröffentlichte Metaanalyse in Nutrition Reviews zeigte, dass Anthocyane die Verarbeitungsgeschwindigkeit von Informationen bei älteren Menschen verbessern könnte. Es gebe jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Gedächtnis oder die Aufmerksamkeit beeinflusst werden würde. Gleichzeitig gibt es durch eine andere, etwas kleinere Studie in Clinical Nutrition aus dem Jahr 2022 Hinweise darauf, dass bei Personen mittleren Alters mit Insulinresistenz und Gedächtnisproblemen die geistige Leistungsfähigkeit gesteigert werden könnte, durch hochdosierte Anthocyanin-Supplemente. Bei beiden Studien ist jedoch Vorsicht geboten, da hier noch weiterer Forschungsbedarf besteht. Auch die Gefäßgesundheit könnte offenbar profitieren: Eine Auswertung mehrerer klinischer Studien macht deutlich, dass anthocyanreiche Lebensmittel die Elastizität der Blutgefäße messbar verbessern können. Auf den Body-Mass-Index wirken sich Anthocyane hingegen kaum aus, wie Nutrients 2021 beschreibt. Weiterhin wird ebenfalls in Richtung des Darmmikrobioms geforscht. Hier konnte nämlich herausgefunden werden, dass die Zusammensetzung der Mikrobiota leicht verändert werden konnte. Besonders im Hinblick auf den Stamm der Bacteroidota, welche eine Rolle bei der Verdauung von Ballaststoffen spielen. Die Datenbasis ist jedoch noch zu klein, für klare Schlussfolgerungen. Ähnlich vorsichtig fällt das Fazit zur Knochengesundheit aus: Erste Studien zeigen, dass Anthocyane die Knochendichte im Lendenwirbelbereich verbessern könnten, die bisherigen Ergebnisse sind aber nicht konsistent.

Auch wenn die aktuelle Studienlage erste positive Effekte auf den Stoffwechsel, die Gefäßfunktion und kognitive Leistung zeigt, ist das bisherige Wissen noch begrenzt. Die meisten Untersuchungen zeigen nur moderate Veränderungen – häufig unter kontrollierten Bedingungen, die sich im Alltag schwer nachbilden lassen. Sicher ist jedoch: Eine Ernährung, die reich an anthocyanhaltigen Lebensmitteln ist, schadet nicht und kann Teil eines insgesamt gesunden Lebensstils sein. Ob die Pflanzenpigmente tatsächlich einen messbaren Beitrag zur Prävention chronischer Erkrankungen leisten, bleibt eine spannende Frage für die Forschung der kommenden Jahre.

Quellen

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  • Krikorian, Robert/Matthew R. Skelton/Suzanne S. Summer/Marcelle D. Shidler/Patrick G. Sullivan (2022): Blueberry Supplementation in Midlife for Dementia Risk Reduction, in: Nutrients, Bd. 14, Nr. 8, S. 1619, online doi:10.3390/nu14081619.
  • Anthocyane - Definition, Synthese, Resorption, Transport und Verteilung | DocMedicus Vitalstofflexikon (o. D.): online

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